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Biodiversität

Ungemähte Streifen in Wiesen verbessern die Lebensbedingungen für Kleintiere

Ein Mosaik von geschnittenen und ungeschnittenen Flächen ist für Kleintiere in der Wiese ideal. Stehengelassene Streifen bieten ihnen teilweise einen Ersatz: Ihre Bedürfnisse nach Schutz, Nahrung und Fortpflanzungsmöglichkeiten können so abgedeckt werden. Wenn Wiesen alle gleichzeitig gemäht werden, können die Tiere darin kaum in andere Flächen ausweichen.

Warum Streifen stehen lassen?

Viele Kleintiere halten sich gerne in ungemähten Wiesen auf. Lassen Bewirtschafter oder Bewirtschafterinnen beim Mähen einen Teil der Wiese stehen, verbessern sie die Lebensbedingungen für viele der dort lebenden Arten.

Was sind Streifen?

Bei jedem Schnitt bleibt eine Fläche von 5-10 % in Streifenform (einer oder mehrere Streifen) ungemäht. Diese relativ kleine Fläche hat sich in der Praxis bezüglich Futterverwertung und Arbeitsorganisation bewährt. Die Lage des oder der Streifen wechselt bei jedem Schnitt oder jährlich. Um unerwünschte Veränderungen in der Artenzusammensetzung der Wiesen zu vermeiden, sollen die Streifen frühestens nach 3-4 Jahren wieder an dieselbe Stelle zu liegen kommen.

Welchen Tieren nützen Streifen?

Versuche mit stehengelassenen Streifen haben ergeben, dass darin nach der Ernte viel mehr Heuschrecken vorkommen als in den gemähten Bereichen (Grafik 1). Auch in Streuewiesen konnten mehr spezielle und bedrohte Wanzen-, Zikaden- und Spinnenarten in den stehengelassenen Streifen nachgewiesen werden. Deutliche Zahlen sprechen Überwinterungsversuche mit ungemähten Streifen (Grafik 2): Die Streifen sind besonders bei Käfern, Zikaden und Pflanzenwespen beliebt. Je nach Grösse der Streifen und je nach Tierart kann schon der kleine Anteil von 5-10 % stehengelassener Fläche dazu beitragen, dasVorkommen gewisser Arten langfristig zu sichern.

Grafik 1: Anzahl Heuschrecken in den ungemähten und gemähten Wiesenbereichen im Juni 2009. (Daten von Humbert et al. 2010, Agroscope Reckenholz-Tänikon)
Grafik 2: Anzahl Zikaden im Frühling 2006, die in den ungemähten
Streifen und in den umliegenden, gemähten Wiesen überwintert
haben. (Daten von Overturf 2007, Universität Zürich / Ö+L GmbH)

Die Bedeutung von Streifen

Die stehengelassenen Streifen haben für die Tierwelt vielfältige Funktionen.

Schutz, Rückzug und Deckung

Heutige schlagkräftige Erntemaschinen verletzen oder töten viele Tiere in der Wiese. Ungemähte Streifen bieten für die wenig mobilen Arten Schutz, für die mobileren eine Rückzugsmöglichkeit und für alle Deckung vor Fressfeinden. Zudem ist das Mikroklima in ungemähten Streifen für viele Tiere günstiger als in frisch gemähten Flächen: Die Feuchtigkeit ist höher, die Temperaturen sind ausgeglichener. Dies ist z. B. für Heuschrecken (4) ideal. Feldhasen, Reptilien (5), Wachteln (6) oder noch flugunfähige Jungvögel verstecken sich gerne in hoher Vegetation. Auch im Winter sind Streifen sehr wichtig. Viele Tiere brauchen einen Unterschlupf in der Streuschicht: z. B. die räuberisch lebenden Nützlinge der Lauf- und Kurzflüglerkäfer (9). Einige Arten überwintern in einem Stadium, das auf Stängel oder Strukturen angewiesen ist: z. B. Goldschrecke (Eier in Halmen) oder die Wespenspinne (10) (Kokons in der Streuschicht).

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

Nahrungsgrundlage

Grundsätzlich sind Wiesenpflanzen auch Futter für verschiedene Tiere: z. B. sammeln Wildbienen (7), Schwebfliegen, Tagfalter und andere Insekten Pollen oder saugen Nektar an stehengelassenen Blüten. Viele insektenoder samenfressende Vögel profitieren vom höheren Nahrungsangebot in den Streifen. Netzspinnen brauchen das ganze Jahr Halme und Stängel zur Befestigung ihrer Netze, um Beutetiere zu fangen.

Lebenszyklus und Fortpflanzung

In stehengelassenen Streifen können Eier, Raupen oder Puppen von Insekten, sowie Spinnen ihre Entwicklung vervollständigen; z. B.: Kleinzikaden (11) (Eier in Halmen) oder Widderchen (Puppen). Manche Schmetterlingsarten, wie z. B. das Schachbrett (8), legen ihre Eier nur in ungemähte Wiesenbereiche. Die Streifen nützen auch gefährdeten Pflanzenarten. So blühen manche Enzianarten oder der Dost erst im Spätsommer oder Herbst. Wenn dann die Wiese ganzflächig gemäht wird, können die Pflanzen keine Samen ausbilden.

(Fotos 10, 11: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH; Foto 9: P. Weidemeier)

Praktische Tips

In grösseren Parzellen mehrere schmale Streifen im Abstand von weniger als 30 m stehen lassen, sonst werden diese für kleine Tiere unerreichbar. Sobald die restliche Wiese nachgewachsen ist, besiedeln die Tiere wieder die ganze Fläche. Wenn 5-10 % der Fläche in Streifenform stehengelassen werden, überleben ca. 40 % der in der Wiese vorkommenden Tiere den Ernteprozess.

(Foto: S. Birrer)

Mit Vorteil nicht lagernde, zu fette sondern blütenreiche Bereiche für die Streifen auswählen; die Blüten bieten weiterhin Nektar und bilden Samen. Bei jedem Schnitt den Streifen an einem anderen Ort stehen lassen, sonst können unerwünschte Vegetationsveränderungen auftreten.

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

Für Kreative und in Flächen, die mit dem Motormäher oder von Hand gemäht werden: Ökologisch optimal sind einzelne, regelmässig verteilte, ungemähte Inselchen an besonders blütenreichen Stellen. Das Heu muss aber an den Inselchen vorbeigezogen werden, der Arbeitsaufwand ist deshalb höher.

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

Zur Arbeitserleichterung steilere Böschungen weniger häufig mähen oder ungünstige Parzellenformen durch geschickte Auswahl der Streifen begradigen.

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

Bei der Herbstweide Streifen wo möglich auszäunen, damit die dort überwinternden Kleintiere oder Eier keinen Schaden nehmen.

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

Wann können Streifen Probleme verursachen?

Bereiche mit Problempflanzen, wie z. B. Blacke, Quecke, Ackerkratzdistel, aber auch mit gebietsfremden invasiven Arten (Neophyten), wie z. B. Goldruten sollen nicht stehengelassen werden, damit sich diese Pflanzen nicht versamen und ausbreiten können.

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

Entlang von Waldrändern oder Hecken mit Schwarzdorn, Espen oder Brombeeren ist aufgrund der Wurzelbruten bzw. Ausläufer ebenfalls Vorsicht mit stehengelassenen Streifen geboten. In Streuewiesen sollten sie nicht in der Nähe hartnäckigerSchösslinge von Holzpflanzen wie Schwarzerlen oder Faulbaum angelegt werden.

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

Neben den für die Landwirtschaft harmlosen Mausarten nisten sich auch ab und zu, vor allem über den Winter, Wühlmäuse in die Streifen ein. Als Teil der Nahrungskette werden sie von Greifvögeln und anderen Raubtieren gerne gefressen (Eule, Turmfalke, Milan, Bussard – auf Sitzstange siehe Bild – Fuchs, Hermelin und Mauswiesel). Falls trotz allem Probleme auftreten sollten, ist in den Streifen eine gezielte Bekämpfung z. B.mit Fallen angezeigt.

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

In feuchten oder trockenen Naturschutzwiesen mit kleinwüchsigen, gefährdeten Rosettenpflanzen (z. B. kleine Orchis oder Frühlingsschlüsselblume), Frühlingsblühern (z. B. Frühlingsenzian, Küchenschelle) oder Arten, die niedrige lückige Vegetation bevorzugen (rauer Alant, Spinnen-Ophrys, Rentierflechte) können Streifen ungünstige Auswirkungen haben. Sprechen Sie sich mit der zuständigen kantonalen Stelle ab!

(Foto: C. Schiess, AGRIDEA)

Neu angesäte Wiesen eignen sich in den ersten Jahren nicht für ungemähte Streifen, da kleinwüchsige
Pflanzen (z. B. die Wiesenglockenblume) überwachsen werden und eingehen.

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

Negativen Reaktionen aus der Bevölkerung über altes, ungepflegtes Aussehen der Streifen ist am besten mit Aufklärung über deren Nützlichkeit zu begegnen! Beispielsweise mit einer Infotafel am Wegrand oder mit einem Informationsnachmittag in Zusammenarbeit mit der lokalen Naturschutzgruppe.

(Foto: Andreas Bosshard, Ö + L GmbH)

Die Tiere in der Wiese noch zusätzlich zu fördern oder zu schonen, ist auch mit gestaffelten Schnitten oder mit angepasster Mähtechnik sinnvoll (siehe AGRIDEA Merkblatt Mähtechnik und Artenvielfalt): Nicht tiefer als 10 cm mähen und ein faunaschonendes Mähwerk einsetzen.

Impressum

Unter «Landwirtschaftliche Forschung und Beratung » werden in Zusammenarbeit mit Forschungs-, Beratungs- und Fachinstitutionen in loser Reihenfolge Merkblätter produziert. Dieses Merkblatt wurde durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) finanziell unterstützt.

Autorinnen und Autoren

  • Andreas Bosshard, Ö + L GmbH, Oberwil-Lieli;
  • Barbara Stäheli, AGRIDEA
  • Natacha Koller, AGRIDEA

Fachliche Mitarbeit:

Bolliger M., Naturama, Aarau; Dumermuth M., UNA, Bern; Gigon A., ETH, Zürich; Fasching D. und Gilomen R., Fachstelle für ökologischen Ausgleich, Münsingen; Gonseth Y., CSCF, Neuchatel; Graf M., Fachstelle Naturschutz, Zürich; Graf R., Vogelwarte; Gujer HU., BAFU; Hartmann J., Amt für Natur und Umwelt, Chur; Kaufmann S., LZ Ebenrain, Sissach; Luka H., FIBL, Frick; Lüthy M., Agrofutura, Frick; Martin M., oekoskop, Basel; Olivier P., CNAV, Cernier; Overturf A., Universität Zürich; Schiess C., AGRIDEA Lindau; Sierro A., Vogelwarte; Studer J., Fribourg; Walter T., Agroscope ART, Zürich- Reckenholz; Wiedemeier P., Sternenberg; Zaech R., ETH, Zürich.

Grafiken

Humbert J.-Y., Richner N., Sauter J. und Walter T.; 2010; Wiesen- Ernteprozesse und ihre Wirkung auf die Fauna, ART-Bericht 724, Agroscope Reckenholz-Tänikon. Overturf A., 2007, The over-wintering abundance of arthropods in response to rotationally mowed meadows, Master Thesis, Institute of Environmental Sciences, University of Zürich, Switzerland