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Biodiversität Futterbau

Erntetechnik und Artenvielfalt in Wiesen

Wildlebende Tierarten – vom Feldhasen bis zur Wildbiene – sind in der modernen Kulturlandschaft unter Druck. Sie überleben nur dank extensiv genutzten Lebensräumen, ungedüngten Wiesen oder Böschungen, Krautsäumen, Streueflächen, Buntbrachen oder Säumen auf Ackerland.

Hier leben sie zusammen mit den typischen Pflanzen, miteinander, voneinander, und oft eng angepasst an Struktur und Charakter ihres Lebensraums. Dieser kann nur mit einer entsprechenden Bewirtschaftung erhalten werden. Nutzungen und Pflegeeingriffe sind langfristig nötig, führen kurzfristig aber zu radikalen Veränderungen. Für fast alle Tiere bedeutet dies ein erhöhtes Risiko: plötzlich fehlen Nahrung, Schutz oder Entwicklungsplätze; auch die Wärme-, Feuchtigkeits- sowie Lichtverhältnisse ändern schlagartig. Neben diesen indirekten Wirkungen der Ernte können die Tiere auch direkt durch die Ernte verletzt oder getötet werden.

Die Schlagkraft der heutigen Mechanisierung ist hoch. Mit Rotationsmähwerken und Mähaufbereitern können grosse Flä­chen innert kurzer Zeit geschnitten wer­den. Kreiselmäher mit Aufbereiter kom­men vermehrt auch im Berggebiet zum Einsatz. Nachfolgende Ernteschritte, wie z. B. zetten, schwaden, aufladen oder ballen, werden ebenfalls mit grossen schweren Geräten durchgeführt. Nun liegen neue Erkenntnisse zu den direkten Auswirkungen der modernen Erntetechnik vor.

Inhalt und Ziele dieses Merkblatts

Das vorliegende Merkblatt zeigt die heute bekannten, wissenschaftlich nachgewiesenen Auswirkungen verschiedener Mähtechniken und die nachfolgenden Ernteschritte auf die Artenvielfalt und gibt Empfehlungen für eine möglichst tierschonende Ernte. Ziel ist, LandbewirtschafterInnen zu informieren und zu sensibilisieren. Die Bestrebungen zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt sollte gerade in ökologischen Ausgleichsflächen durch eine angepasste Erntetechnik unterstützt und nicht zunichte gemacht werden. Einzelne Kantone haben dieser Erkenntnis Rechnung getragen. Sie entschädigen in artenreichen Wiesen den mit schonender Erntetechnik verbundenen Mehraufwand durch zusätzliche finanzielle Abgeltungen.

An wen richtet sich dieses Merkblatt?

Das Merkblatt richtet sich an BewirtschafterInnen von Landwirtschaftsland und von öffentlichen Pflegeflächen. Aus diesem Grund werden auch die bei der Böschungspflege eingesetzten Rotationsmulchgeräte und die Motorsense mit einbezogen.

Maschinelle Mäh- und Mulchtechnik

Allgemeine Eigenschaften

Man unterscheidet Geräte mit oszillierenden (Scherenschnitt) und mit rotierenden (Freischnitt) Messern bzw. Werkzeugen. Mähgeräte legen das Pflanzenmaterial unbearbeitet in Schwaden ab, während Mulchgeräte das Schnittgut zerkleinern und breitflächig verteilen, um die Verrottung zu beschleunigen.

Messerbalkenmähwerke: sauberer Schnitt, guter Nachwuchs, geringer Leistungs­bedarf, sehr hangtauglich, leicht und darum bodenschonend, grosser Aufwand für die Instandhaltung, Verstopfungsgefahr.

Doppel-Messerbalken
Fingerbalken

Rotationsmähwerke: zwei- bis drei Mal höhere Arbeitsleistung als Messerbalkenmähwerke, hoher Leistungsbedarf, schwer, robust, geringer Aufwand für die Instandhaltung, störungsfreier Schnitt, Sogwirkung durch rotierende Elemente. Wenn es Gelände und Bodenverhältnisse erlauben, werden fast ausnahmslos Rotationsmäher eingesetzt.

Scheibenmäher (ohne Aufbereiter)
Trommelmäher (mit Aufbereiter)

Mähaufbereiter: quetschen und knicken das geschnittene Mähgut zusätzlich, dies beschleunigt das Abtrocknen des Heus und vermindert das Wetterrisiko. Häufig in Kombination mit Rotationsmähwerken.

Mulchgeräte: kein eigentlicher Schnitt, sondern Ab­-schlegeln des Pflanzenmaterials, starker Sog durch rotierende Elemente. Man un­-ter­schei­det Sichelmulcher (reine Weide­pflege) und Schlegelmulcher (vielseitig einsetz­bar, auch Astmaterialzerkleinerung; sehr hohe Antriebsleistung nötig).

Schlegelmulcher

Motorsense: für steiles, schwer zu­­gäng­liches Gelände (Böschungen, Weg­rän­der).

Freischneidegerät (Motorsense)

Mäh- und Mulchtechnik: wichtige Merkmale

Nachfolgende Ernteschritte

Zetten: früher wurde das Gras mit der Gabel verteilt und gewendet oder, leicht angewelkt, auf Heinzen weitergetrocknet. Heute wird diese Arbeit häufig mit dem Kreiselheuer oder Zettwender vor­genommen. Wenn das Gras mit Trom­­mel­mäher und Aufbereiter gemäht wur­de, entfällt meist ein Durchgang mit dem Zetter.

Zetten (Foto: J. Sauter, ART Tänikon)

Schwaden, Zusammenrechen: vor dem Laden oder Pressen wird das getrocknete Gras mit dem Schwader (früher von Hand) zu sogenannten Schwaden zusammengerecht. Bei mehrtägigem Trocknungsprozess kann das Gras jeweils am Abend geschwadet werden, damit es nicht zuviel Feuchtigkeit aufnimmt. Am Morgen werden die Schwaden wieder verteilt.

Ballen, Aufladen: die trockenen Schwaden werden direkt mit dem Ladewagen aufgenommen oder zu Ballen gepresst. In steilem oder unbefahrbarem Gebiet wird das getrocknete Gras aus der Wiese getragen und auf einen Wagen geladen oder abgeseilt.

Auswirkungen der Mäh- und Erntetechnik auf Kleintiere

In der Wiese leben Tiere mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen. Die einen bleiben immer nahe am Boden, andere besuchen die Wiese nur, um auf Blüten Nektar und Pollen zu sammeln. Die meisten leben und entwickeln sich an Blättern und Halmen in der Krautschicht. Viele Kleintiere wie Schmetterlinge oder gewisse Käferarten nutzen je nach Entwicklungsstadium verschiedene Schichten der Wiese, z.B. als Larve die Blätter und als ausgewachsenes Tier die Blüten.

Die Heuernte mit Mähen, Zetten, Wenden, Schwaden und Aufladen bringt für alle Organismen Risiken mit sich. Sie können direkt durch Mäh- und Erntegeräte geschädigt werden. Indirekt bedeutet dieser Eingriff in ihr Lebensraum Nahrungsmangel, keine Deckung vor Feinden und Witterung, fehlende Nischen für Fortpflanzung oder Schlafplatz. Die meisten Wiesentiere haben sich über Jahrhunderte an die Mahd angepasst. In den letzten Jahrzehnten haben die technischen Fortschritte in der Mechanisierung die Anpassungsfähigkeit der Tiere überholt. Heute werden viel grössere Flächen schneller und auf einen Schlag gemäht als früher. Ausserdem müssen mehrere Mähvorgänge, teilweise mit Mähaufbereitern, überstanden werden. Nur Tiere mit einer schnellen Reaktion, geschicktem Fluchtverhalten und einer grossen Mobilität und Flexibilität haben noch eine Chance. Das Ausmass der Verluste ist abhängig von der Tiergruppe, ihrem Fluchtverhalten und -vermögen (Eier, Larven, Puppen, Adulte), ihrem Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Eingriffes (in Bodennähe, in der Krautschicht, auf der Blüte), sowie von der Art und den Einstellungen des Mähwerks.

Schlegelmulchgeräte und eine grosse Ar­­ten­vielfalt lassen sich schlecht verein­ba­r­en. (Foto: ART Tänikon)

Welche Tiere werden von der Heuernte betroffen?

  1. Braunkehlchen: brütet von Mai bis An­fang August in blumenreichen, viel­fältigen und extensiv genutzten Wie­sen.
  2. Blindschleiche: hält sich bevorzugt im verfilzten Gras und in Grashaufen auf.
  3. Grasfrosch: lebt im Sommer in feuchten Wiesen und Wäldern.
  4. Radnetzspinne: wohnt, frisst und vermehrt sich in der Wiese; hängt Netze im hohen Gras auf und überwintert im Eistadium.
  5. Marienkäferlarve: Larve und ausgewachsener Käfer ernähren sich von Blattläusen.
  6. Bockkäfer: ernähren sich ausgewachsen oft von Blütenpollen; bei einigen Arten entwickelt sich die Larve im Tot­­­­­­holz, bei anderen in Stengeln von Kräu­tern.
  7. Honigbienen und Wildbienen: sammeln während der ganzen Vegetationszeit Pollen und Nektar auf Blüten von Nutz- und Wildpflanzen.
  8. Wiesenschaumzikade: Larve entwickelt sich in Schaumgebilde an Wiesenpflanzen.
  9. Sichelwanze: Räuberische Wanze, die hauptsächlich in mageren Wiesen lebt und kleine Insekten jagt.
  10. Schmetterlinge, Dickkopffalterraupe: frisst Gräser, verpuppt sich in Blattröhrchengespinst in Bodennähe.
  11. Schmetterlinge, Schachbrettfalter: die Raupe frisst Gräser, der Schmetterling saugt Nektar von violetten Blüten wie Flockenblumen, Witwenblumen oder Disteln.
  12. Schmetterlinge, Puppe eines Widderchens: verpuppt sich im Juni in Kokon an Halmen.
  13. Heuschrecken: an Blättern und Halmen in der Wiese; Eier meist im Boden, Larven im Frühjahr, ausgewachsene Tiere ab Juli-August.
  14. Hummel: nistet z. T. am Boden und trägt zur Aufzucht der Larven Pollen und Nektar ein; besucht häufig Pflanzen von extensiv genutzten Wiesen.
  15. Laufkäfer: meist bodenlebende tag- oder nachtaktive Käferarten.
  16. Schwebfliegenlarve: Larve frisst Blatt­läuse in der Krautschicht; ausgewach­senes Tier häufig auf Blüten.

Amphibien

(Foto: A. Krebs, Agasul)

Die meisten Amphibien brauchen neben Laichgewässern einen strukturierten Landlebensraum. Beide Lebensraumelemente müssen in genügender Anzahl und Qualität vorhanden sein, damit die Amphibienpopulationen überleben können. Vor allem Grasfrösche halten sich im Sommerhalbjahr häufig in feuchten Wiesen auf. Sie werden erst im Alter von zwei bis drei Jahren geschlechtsreif und müssen deshalb bis zur Fortpflanzung mehrere Mähnutzungen unbeschadet überstehen.

Reptilien

(Foto: R. Benz, AGRIDEA)

Reptilien sind ähnlich betroffen wie die Amphibien. Schlangen suchen Mähwiesen meist erst nach Sonnenaufgang auf, um sich aufzuwärmen. Zu diesem Zeitpunkt flüchten sie, wenn überhaupt, nur sehr langsam und werden durch die Mahd besonders betroffen. Am häufigsten verletzt oder getötet werden die noch verbreiteten Blindschleichen (11). Aber auch seltenere Arten wie Ringelnattern oder Schling- und Äskulapnattern (insbesondere trockene Wiesen) werden regelmässig vermäht. Langsames Mähen, grosse Schnitthöhe und Mähen am frühen Morgen oder späten Abend schont die eher trägen Tiere.

Heuschrecken

(Foto: A. Krebs, Agasul)

Ende Sommer legen die Weibchen ihre Eier in den Boden oder teilweise auch in Halme. Die Eier überwintern und im späten Frühjahr schlüpfen die Heuschrecken-Larven. Heuschrecken halten sich in der gesamten Vegetationsschicht auf. Viele Arten sind flugunfähig und daher wenig mobil. Obwohl sie bei Erschütterungen wegspringen, werden sie von Rotationsmähwerken infolge der hohen Arbeitsgeschwindigkeit oft erfasst. Ausgewachsene Tiere und grössere (häufig seltenere) Arten werden dabei mehr geschädigt als die Larven. Der Hauptverlust (ca. 80 %) der Tiere entsteht allerdings erst beim Aufladen oder beim Pressen des Ernteguts, da sich Heuschrecken auf den Schwaden konzentrieren und somit abtransportiert werden. Für den Gesamtbestand der Heuschrecken ist es daher entscheidend, dass die Weibchen vor der Heuernte ihre Eier ablegen können.

Schmetterlingsraupen

(Foto: A. Krebs, Agasul)

Die Sterberaten beim Mähvorgang sind bei Schmetterlingsraupen gross, insbesondere bei an Vegetationsstrukturen angesponnene Raupen (viele Nachtfalter) oder Puppen. Tagfalterraupen, die sich frei in der Vegetation bewegen, werden bei geringer Mähgeschwindigkeit weniger geschädigt, da sie sich bei Erschütterungen meist fallen lassen. Die auf die Mahd folgenden Ernteschritte bewirken aber insgesamt noch höhere Sterberaten als die Mahd selber. Schmetterlingsraupen sind besonders beim Aufladevorgang gefährdet, da sie das Schnittgut erst verlassen, wenn es dürr ist. Die Silagenutzung kann daher für den Gesamtbestand einer Schmetterlingsart verhängnisvoll sein.

Wanzen, Käfer, andere Insekten und Spinnen

(Foto: A. Krebs, Agasul)

Zahlreiche Spinnen- und Insektenarten pflanzen sich im Frühsommer fort. Man findet aber auch bereits Eier und Larven an Gräsern und Blättern von Arten, die sich früher im Jahr fortpflanzen. Zu diesem Zeitpunkt sind schonende Massnahmen (Messerbalken, grosse Schnitthöhe) bei der Mahd besonders sinnvoll. Einige Spinnenarten, darunter die Radnetzspinnen, pflanzen sich erst im Herbst fort. Kokons und Eier sind der Herbstmahd ausgesetzt. Altgrasstreifen und Säume, welche über den Winter stehen gelassen werden, gehören für Spinnen und Insekten zu den wichtigsten Massnahmen.

Bodenbrütende Vogelarten

(Foto: H. Schiess, Brunnadern)

Dazu gehören gefährdete Arten wie Wachtelkönig, Baumpieper, Feldlerche, Braunkehlchen oder Grauammer. Deren Jungvögel verlassen das Nest noch flugunfähig und halten sich in der schützenden Vegetation auf. Sie sind durch die Mahd stark gefährdet. Ein später Schnittzeitpunkt – nach der Brutsaison oder zwischen der Erst- und Zweitbrut – ist daher angezeigt. Jungvögel weichen, sobald sie dazu imstande sind und die Arbeitsgeschwindigkeit dies erlaubt, vor dem Mähwerk in die noch ungeschnittenen Flächen aus. Für sie, wie für viele andere mobile Tiere mit ähnlichem Fluchtverhalten, gilt entgegen der üblichen Praxis: von innen nach aussen mähen! Dies reduziert die Verluste beispielsweise bei Jungvögeln des Wachtelkönigs von ca. 40 % auf 7 %.

Kleinsäuger, Rehkitze und Feldhasen

(Foto: AGRIDEA Lausanne)

Junghasen werden oft vermäht, da sie nicht flüchten. Zur Vermeidung von Verletzungen von Rehkitzen werden seit einiger Zeit wirksam Blenden (16) eingesetzt. Ausserdem gibt es Bestrebungen, Erkennungssysteme für Rehkitze zu entwickeln.

Verletzte und getötete Wiesentiere in verschieden Schichten der Wiese in Abhängigkeit des Mähwerks

Die Tabelle zeigt, dass der Motorbalkenmäher vor allem auf Tierarten, die sich in Bodennähe oder oberhalb des Schnitthorizontes aufhalten, geringe Auswirkungen hat. Tiere im Schnitthorizont hingegen, die nicht fliehen oder nicht fliehen können, werden mit dem Messerbalken geschädigt. Wird der Balkenmäher mit dem Traktor gekoppelt, findet fast eine Verdoppelung der Schäden statt, insbesondere bei grösseren, weichen Raupen, die durch die Traktorräder zerdrückt werden. Generell haben die Traktorräder bei jedem Befahren von Flächen Verluste zur Folge. Bei Rotationsmähwerken werden infolge der hohen Geschwindigkeit und der Sogwirkung mehr Tiere geschädigt. Bei den Amphibien und bei den Tieren im Schnitthorizont betragen die Verluste ca. 25 %. Sehr viel kleiner ist die Verlustrate bei den Amphibien, wenn die Schnitthöhe von 5 cm auf 12 cm erhöht wird (27 % bzw. 5 % Verlustrate). Dies konnte auch bei anderen Tiergruppen bestätigt werden. Wenn die Rotationsmähwerke mit einem Aufbereiter kombiniert sind, erhöhen sich die Verluste beträchtlich. Die Tiere in der Krautschicht und auf den Blüten werden bis zu 70 % geschädigt. Mit Schlegelmulchgeräten werden vor allem Tiere in der Krautschicht, aber auch Tiere in Bodennähe angesaugt. Werden sie von Schlegelmulchgeräten erfasst, haben sie keine Chance zu überleben. Die Verluste betragen 35 bis 100 %.

Nicht in der Tabelle dargestellt ist die Auswirkung der bei der Böschungspflege oft eingesetzten Saugmäher. Hier wurden ähnliche, nur leicht geringere Schädigungen wie bei den Schlegelmulchgeräten festgestellt.

Honigbienenverluste beim Mähen

Blühende Wiesen wie Klee-Reinsaaten, Kunstwiesen mit viel Weissklee, Löwen­zahn­wiesen, blumenreiche Heuwiesen, Bunt- und Rotationsbrachen und Säume haben für Honigbienen für die Nektar- und Pollen­versorgung eine grosse Bedeutung. Die Honig­bienenverluste beim Mähen blühender Wiesen mit Mähaufbereitern wurden an der Forschungsanstalt Agroscope5 untersucht. Die Versuche zeigen folgende Erkenntnisse:

  • Honigbienen zeigen ein äusserst träges Reaktionsverhalten beim Herannahen der Mähmaschine.
  • Wichtigste Faktoren für das Ausmass der Honigbienenverluste sind die Kultur (Attraktivität, Blühstadium, Höhe der Blütenstände über Boden), die Intensität des Bienenfluges und die Art des Mähwerkes (mit oder ohne Aufbereiter).
  • Höhe der Blütenstände über Boden ist entscheidend; niedrige Kulturen bewirken höhere Verluste als hochstehende Kulturen.
  • Verursacht werden Honigbienenschäden in erster Linie durch den Aufbereiter und nicht durch das Mähwerk. Die dadurch zugefügten Verletzungen sind für die Honigbienen tödlich.
Wirkung des Aufbereiters auf die Bienenverletzungen beim Mähen.

Die Verluste betragen beim Einsatz von Mähaufbereitern 35-60% der im Feld vorhandenen Honigbienen (siehe Tabelle unten). Rotationsmähwerke ohne integrierten Auf­bereiter führen zu ca. 7-mal weniger to­ten und verletzten Honigbienen.

KulturBienendichte pro haBienenverluste
im Feldpro hain %
Phacelia260’00090’00035
Weissklee17’0009’00053
Weissklee39’00024’00062
Weissklee – beliebt bei Honigbienen, auch zum Zeitpunkt der Mahd. Die für Honigbienen ermittelten Ergebnisse sind gemäss Fachleuten auch auf andere verwandte Blütenbesucher wie Wildbienen und Wespen übertragbar. (Foto: FAM, Liebefeld)

Auswirkung der nachfolgenden Ernteschritte auf die Kleintiere

Zählungen der Forschungsanstalt Agroscope7 haben gezeigt, dass die verschiedenen Ernteschritte deutliche Verluste mit sich bringen. Insgesamt sind diese Verluste wesentlich grösser als die Verluste durch das Mähen! Nur die wenigsten Heuschrecken oder Raupen überleben die maschinelle Ernte. In der nachfolgenden Abbildung ist der gesamte Ernteprozess mit Mähen (Trommel-Scheibenmäher ohne oder mit Aufbereiter), Zetten, Schwaden und Ballen dargestellt. Wenn ohne Aufbereiter gemäht wird, überleben am Schluss fast doppelt so viele Heuschrecken (32%) als mit Aufbereiter (18%).

Überlebensraten in % von Heuschrecken beim Ernteprozess mit und ohne Aufbereiter

Empfehlungen zur Schonung von Kleintieren

Anzahl Nutzungen, Arbeitsgänge und Arbeitsbreiten

  • Sämtliches Befahren von artenreichen Wiesen auf das Nötigste beschränken, weil schon die Räder des Traktors viele Kleintiere zerdrücken.
  • Grössere Arbeitsbreiten mit schonenden Mähgeräten kombinieren.
  • Den ersten Schnittzeitpunkt und die Anzahl Folgenutzungen an den Wiesentyp anpassen, sich also an den vorhandenen Pflanzenarten, und an den vorkommenden Kleintieren orientieren.
  • Böschungen und Krautstreifen entlang von Gewässern, Wäldern, Hecken und Wiesen nur ein- bis zweimal jährlich und in Teilabschnitten nutzen.

Gestaffelte Mahd, Randstreifen und Mährichtung

  • Grosse, artenreiche Wiesen und andere naturnahe Flächen gestaffelt, d.h. in Ab­ständen von mindestens zwei bis drei Wochen, bewirtschaften. Zusätzlich, aber auch entlang oder innerhalb von klei­­­neren Flächen, Grasstreifen (mindestens 3 m breit und im Abstand von 30 m) oder Teilflächen stehen lassen.
  • Die Mährichtung so wählen, dass die mobilen Kleintiere zu den ungemähten Bereichen fliehen können:
    • von innen nach aussen und Randbereich stehen lassen (vgl. Skizze)
    • von aussen nach innen und Mitte stehen lassen
    • streifenförmig und letzten Streifen stehen lassen
  • Die stehen gelassenen Bereiche dienen als Rückzugsmöglichkeit und Ausgangs­punkte für die Wiederbesiedelung der Fläche. Beim nächsten Schnitt die Alt­­gras­flächen mitmähen und andere stehen lassen. Bei der Herbstmahd blei­­ben solche Randstreifen über den Win­ter stehen und werden erst im Frühjahr gemäht. Sie bieten vielen Tieren wich­tige Überwinterungsmöglichkeiten (siehe Merkblatt AGRIDEA «Ungemähte Streifen in Wiesen verbessern die Le­­bens­­­bedingungen für Kleintiere»).
Von innen nach aussen: so flüchten die Wiesentiere in die «richtige» Richtung.

Mähgeräte

  • Bei der Bewirtschaftung von ökologischen Ausgleichsflächen und anderen naturnahen Lebensräumen auf den Einsatz von Mähaufbereitern verzichten.
  • Für den Unterhalt und die Pflege der ökologisch bedeutenden Randflächen möglichst keine Mulchgeräte oder Saugmäher einsetzen. Diese bilden eine Falle für die sich hier konzentrierende Fauna.
  • In artenreichen Gebieten bevorzugt Motorbalkenmäher einsetzen. Sie sind besonders für die Tiergruppen, die in der Krautschicht leben, deutlich schonender als Rotationsmäher.
  • Motorsensen wirken ähnlich wie Rotationsmähwerke. Zudem ist die Schnitthöhe schwierig zu kontrollieren; häufig wird zu tief gemäht. Dies ist umso schädlicher, als sie oft auf Flächen mit hoher Artenvielfalt (Böschungen, Randstreifen, Krautsäume) eingesetzt werden.
Altgrasflächen und Randstreifen: der Schlüssel zur Förderung und Erhaltung der Artenvielfalt. (Foto: R. Benz, AGRIDEA)

Schnitthöhe

Wenn immer möglich hoch einstellen! Die Stoppelhöhe sollte nach dem Schnitt möglichst mehr als 8 cm, besser 10-12 cm betragen. Damit werden bodennah le­­ben­de Insekten und Spinnen, aber auch Wir­­beltiere wie Reptilien und Amphibien deut­lich besser geschont als bei tieferem Schnitt. Scheibenmäher lassen sich je nach Fabrikat mit speziellen Hochschnittkufen ausrüsten, Trommelmäher können eingestellt werden. Dies gilt auch für moderne Doppelmessermähwerke.

Mähzeitpunkt und vorbeugende Mass­nahmen

  • An Schönwettertagen mit regem Honigbienenflug frühmorgens (vor 7 Uhr) oder abends (nach 18 Uhr) mähen. Diese Tageszeit ist nicht nur für die Schonung von Honigbienen ideal sondern ist auch für Reptilien (Blindschleichen, Eidechsen) zu empfehlen.
  • Faustregel: Honigbienendichte beobachten, befindet sich pro m2 Fläche mehr als eine Biene auf den Blüten, sollte das Mähen unterlassen werden.
  • Rehkitze und Feldhasen: vorbeugende Massnahmen wie Verblenden oder Aufspüren.

Referenzen

  1. Löbbert, Kromer, Wieland (1994), Einfluss von Mäh- und Mulchgeräten auf die bodennahe Fauna. Forschungsberichte «Integrative Extensivierungs- und Naturschutzstrategien», H. 15, S. 7-26
  2. Oppermann und Classen (1998), Naturverträgliche Mähtechnik, – Moderne Mähgeräte im Vergleich – , NABU, S. 1-48
  3. Oppermann und Krismann (2001), Naturverträgliche Mähtechnik und Populationssicherung, BfN-Skripten 54, S. 1-76
  4. Wilke (1992), Beeinflussung von Heuschrecken durch Mahd und verschiedene Mahdsysteme in wechselfeuchten Wiesen norddeutscher Flussauen, Diplomarbeit am Zoologischen Institut der Technischen Universität Braunschweig
  5. Frick und Fluri (2001), Bienenverluste beim Mähen mit Rotationsmähwerken, Agrarforschung 8(5), S. 196-201
  6. Hemmann, Hopp, Paulus (1987), Zum Einfluss der Mahd durch Messerbalken, Mulcher und Saugmäher auf Insekten am Strassenrand, Natur und Landschaft 62, Heft 3, S. 103-106
  7. Humbert, Richner, Sauter, Walter (2010), Wiesen-Ernteprozesse und ihre Wirkung auf die Fauna, ART-Bericht 724, S. 1-12

Impressum

Autorinnen und Autoren

  • Schiess-Bühler C., AGRIDEA
  • Frick R., ART, Tänikon
  • Stäheli B., AGRIDEA
  • Furi R. ALP

Fachliche Mitarbeit

Benz R., AGRIDEA; Blank Ch., BLW; Gonseth Y., CSCF; Gujer H.U., BAFU; Hofmann H.U., Inforama Schwand; Jeanneret Ph., ART; Koller N., AGRIDEA; Meyer A., KARCH; Oppermann R., ILN; Pfiffner L., FIBL; Walter T., ART; Weibel, U., SVS; Zurbrügg C., AGRIDEA

Illustrationen

Strickler R., AGRIDEA