Aufgrund der Antibiotikaresistenzen ist es zunehmend schwieriger, gewisse infektiöse Krankheiten zu heilen, da die angewandten Antibiotika wirkungslos sind. Die Antibiotikaresistenz kann ernsthafte Gesundheitsprobleme nach sich ziehen und hat erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen.
Kernpunkte
- Ein übermässiger Einsatz von Antibiotika fördert die Bildung resistenter Bakterien.
- Durch die Antibiotikaresistenzen werden Antibiotika für Mensch und Tier unwirksam.
- Es ist notwendig, zu handeln, um die Wirksamkeit von Antibiotika aufrechtzuerhalten. Deshalb wurde die nationale Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) ins Leben gerufen.
- Landwirte können wie folgt gegen diese Resistenzen vorgehen :
- Krankheitsausbrüche vorbeugen, um den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren (Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands der Herde, Impfung);
- Antibiotika gezielter und weniger oft einsetzen (Einhaltung der Verordnung des Tierarztes, Komplementärmedizin);
- sich begleiten lassen (Tierärzte, Gesundheitsdienste, landwirtschaftliche Berater, Erfahrungsgruppen zum Thema Tiergesundheit, Aus- und Weiterbildungen).
Was ist ein Antibiotikum und welches sind die mit dem Einsatz einhergehenden Risiken
Antibiotika sind Substanzen, welche Bakterien zerstören oder deren Vermehrung hemmen. Sie werden sowohl in der Human- als auch Veterinärmedizin eingesetzt, um Krankheiten zu bekämpfen, die durch pathogene Bakterien1 hervorgerufen werden. Antibiotika wirken ausschliesslich gegen Bakterien. Sie sind völlig wirkungslos bei der Heilung von Krankheiten, die durch Viren oder Pilze verursacht werden.
Man unterscheidet verschiedene Klassen von Antibiotika nach ihrem Wirkungsmechanismus und den Bakterien, die sie bekämpfen können. Kein Antibiotikum wirkt gegen alle Bakterienarten.
Ausserdem haben Antibiotika Wirkungsspektren, die von schmal bis breit reichen. Ein Schmalspektrum-Antibiotikum wirkt nur gegen bestimmte Bakterienfamilien, während ein Breitband-Antibiotikum weniger spezifisch gegen eine grosse Anzahl von Bakterienfamilien wirkt.
Was ist Antibiotikaresistenz und warum ist sie ein grosses Problem
Idealerweise kann ein Antibiotikum bei einer bakteriellen Erkrankung die Bakterien abtöten oder deren Vermehrung verhindern und so die Krankheit stoppen. Vermehren sich die Bakterien, kann sich ihre DNA verändern. Es kommt vor, dass eine Genmutation der DNA einer Bakterie ein Antibiotikum unwirksam macht und einen resistenten Bakterienstamm entwickelt. Ausser der Fähigkeit, ihre Resistenz auf kommende Generationen zu übertragen, kann ein Bakterium seine Resistenz an potenziell pathogene Bakterien einer anderen Spezies übertragen. Die resistenten Bakterien können anschliessend andere Menschen oder Tiere anstecken. Die Antibiotikaresistenz kennt so keine Grenzen und kann sich überall verbreiten.
Ist ein Bakterium gegen mehrere Antibiotika resistent, spricht man von Multiresistenz. Die multiresistenten Bakterien können nicht mehr mit herkömmlichen Antibiotika behandelt werden und es werden sogenannte «kritische Antibiotika2» verwendet. Sie werden in Anhang 5 der Tierarzneimittelverordnung definiert (Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Fluorochinolone und Makrolide). Diese Antibiotika sollten nur dann eingesetzt werden, wenn Antibiotika erster Wahl wirkungslos sind.
Liste der kritischen Antibiotika unter www.bio-suisse.ch/media/Produzenten/antibiotikaliste_d_version_25.01.2018
StAR : Strategie Antibiotikaresistenzen
Ziel von StAR ist es, die Wirksamkeit von Antibiotika zu erhalten, um die Gesundheit von Mensch und Tier langfristig zu sichern. StAR basiert auf gemeinsamen und bereichsübergreifenden Massnahmen, denn die Antibiotikaresistenz betrifft sowohl die Human- und Veterinärmedizin als auch die Landwirtschaft, die Ernährungssicherheit und die Umwelt.
In der Landwirtschaft geht es um die Prävention eines übermässigen Einsatzes von Antibiotika, indem die Haltung der Tiere optimiert und deren Immunsystem gestärkt wird. Dadurch wird die Gesundheit der Tiere gefördert, was zu einem reduzierten Einsatz von Antibiotika führt, und damit zur Reduktion der Resistenzen beiträgt. Durch Biosicherheits-Massnahmen, um die Einschleppung von Resistenzen in den Betrieb zu verhindern, trägt der Landwirt aktiv dazu bei, Resistenzen zu bekämpfen. Schliesslich ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Tierhaltern, Tierärzten und Forschung unerlässlich. Auch die Weiterbildung in den Bereichen Vorbeugung und Komplementärmedizin, zum Beispiel Homöopathie, sind hilfreich. Die Empfehlungen zum Antibiotikaeinsatz gelten für den ganzen Viehsektor.
Internetseite Strategie StAR : www.star.admin.ch
Die Entwicklung einer Resistenz ist ein natürliches Phänomen. Sie wird jedoch durch den übermässigen und unsachgemässen Antibiotikaeinsatz bei Mensch und Tier verstärkt, und zwar durch :
- Unnötige Verabreichung bei viralen Infektionen: Fehldiagnose
- Verabreichung des falschen Antibiotikums: unwirksam gegen das Bakterium
- Zu häufige Verabreichung im Sinne einer Prävention (Prophylaxe)
- Zu schwache Dosierung oder vorzeitiger Abbruch der Behandlung (nicht alle Bakterien werden eliminiert und die überlebenden haben mehr Chancen, eine Resistenz zu entwickeln).
Letztendlich führt das Auftreten von Resistenzen zu einer verminderten Wirksamkeit der Antibiotika und die Krankheiten (von Mensch und Tier) sind schwieriger oder unmöglich zu behandeln.
Achtung
Die Antibiotika üben einen Selektionsdruck zugunsten resistenter Bakterien aus.
Ist ein Bakterium antibiotikaresistent, muss es mit einem anderen Antibiotikum bekämpft werden, auf die Gefahr hin, dass es neue Resistenzen entwickelt.
Daher: Der vermehrte Antibiotikaeinsatz begünstigt die Entwicklung von Resistenzen und sollte vermieden werden.
Wie kann der Antibiotikaeinsatz in der Praxis begrenzt werden
Prävention: Vorbeugen ist besser als Behandeln.
Vorbeugung ist nach wie vor der beste Weg, um Krankheiten zu vermeiden und damit den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren.
Tiergesundheit im Betrieb verbessern
Ein gut gehaltenes Tier hat ein besseres Immunsystem und wird weniger schnell krank.
Das Gesundheitsmanagement auf dem Betrieb muss umfassend sein: Viele Faktoren beeinflussen die Tiergesundheit und hängen mit dem allgemeinen Management im Betrieb zusammen. Das folgende Schema veranschaulicht verschiedene Aspekte, bei denen Mängel auf Milchviehbetrieben zu Euterinfektionen führen können.
Mangelnde Hygiene in Schweinebetrieben oder unzureichende Kolostrumversorgung bei Kälbern wurden ebenso als Risikofaktoren identifiziert, die zu einem verstärkten Einsatz von Antibiotika führen.
Beispiele von Massnahmen, die eine verbesserte Tiergesundheit und einen geringeren Antibiotikaeinsatz fördern
- Allgemeine Beurteilung des Tierwohls: Zur Beobachtung der Tiere wurden verschiedene Methoden entwickelt (Kuhsignale, Schweinesignale, Obsalim ®-Methode usw.). Bereits das Verhalten der Tiere gibt einen Hinweis auf ihr Wohlbefinden, das sich direkt auf ihre Gesundheit auswirkt. Sobald ein Warnzeichen erkannt wird, muss gehandelt werden. Wichtig ist, sich nicht an Anormales zu gewöhnen!
- Zucht: Die Zucht von gesunden und krankheitsresistenten Tieren ist Bestandteil der Zuchtprogramme der verschiedenen Zuchtverbände. Dabei konzentrieren sich die Bemühungen zunehmend auf gesundheitsbezogene Merkmale.
- Immunität: Ein gut funktionierendes Immunsystem fördert eine bessere Wirksamkeit eventuell durchzuführender Behandlungen (Antibiotika, Impfungen usw.). Jungtiere sind besonders anfällig gegenüber Infektionserregern und es ist wichtig, ihre Immunität so früh wie möglich zu entwickeln. Die Kolostrumgaben tragen weitgehend dazu bei.
- Impfung: Die Impfstoffe müssen vom Tierarzt verordnet und abgegeben werden. Die Verschreibungen des Tierarztes und die Anweisungen auf der Packungsbeilage müssen strikt eingehalten werden (Impfdauer, Dosierung, Art der Verabreichung). Die kurative Impfung (wenn der Infektionserreger bereits vorhanden ist) ist nicht sehr wirksam. Die präventive Anwendung ist vorzuziehen und Tiere sollen vor der Risikoperiode geimpft werden. Die verwendeten Impfstoffe müssen im Behandlungsjournal erfasst werden.
- Fütterung: Eine gut geplante und kontrollierte Fütterung trägt zur guten Tiergesundheit bei und beugt zahlreichen Krankheiten vor.
- Hygiene und Biosicherheit: Eine gute Tier-, Personen- und Stallhygiene garantieren ein gesundes Umfeld und begrenzt den mikrobiellen Druck.
- Stallhaltung und Stallklima: Gute Haltungsbedingungen und ein angepasstes Stallklima sind zwei wichtige Aspekte, die das Tierwohl und die Tiergesundheit fördern. Es gibt zahlreiche Empfehlungen in diesem Bereich, insbesondere bezüglich: Ruhe der Tiere, zur Verfügung stehender Fläche, zur Verfügung stehendem Futter und Wasser, Licht und Luftzirkulation. Ziel ist es, den Tierstress (physisch und psychisch) zu vermeiden. Tiere können während einer Manipulation oder einer Behandlung – was in der Tierhaltung «normal» ist – punktuell unter Stress stehen. Kaltes oder feuchtes Stallklima, wiederholter Platzmangel (Liegefläche oder beim Fressgitter) sowie erschwerter Zugang zu den Tränkestellen führen zu permanentem Stress, der zu einem Rückgang der Immunabwehr führt und die Tiere anfälliger für Krankheiten macht.
Rationeller Antibiotikaeinsatz: weniger behandeln, besser behandeln.
Zur Erinnerung: die Gesetzlichen Grundlagen des Antibiotikaeinsatzes werden in der Verordnung über die Tierarzneimittel (TAMV) definiert. Antibiotika dürfen nur nach tierärztlicher Verschreibung eingesetzt werden.
Diagnose: ein unerlässliches Entscheidungsinstrument
Mit der Diagnose kann unter anderem festgestellt werden, ob die Krankheit sehr wohl von einem Bakterium hervorgerufen wurde und durch welches (bakteriologische Analyse) und ob das betreffende Bakterium Resistenzen aufweist (Antibiogramm3). Darüber hinaus erlaubt die Identifizierung des pathogenen Bakteriums in der Regel den Einsatz eines Schmalband-Antibiotikums. Der Tierarzt gibt Dosierung und Behandlungsdauer an. Diese Vorgaben sind einzuhalten, denn eine zu schwache Dosis oder eine zu kurze Behandlungszeit fördert die Entwicklung von Resistenzen.
Die revidierte Verordnung über die Tierarzneimttel (TAMV)
Der Landwirt muss ein Behandlungsjournal der auf Verschreibung hin eingesetzten Arzneimittel führen und gegebenenfalls die TAM-Vereinbarung mit seinem Tierarzt unterzeichnen. Diese sieht vor, einen Vorrat an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu halten. Ohne Vereinbarung kann der Landwirt keine Arzneimittel vorrätig halten. Erkrankt ein Tier, muss dann der Tierarzt systematisch vorbeikommen. Von diesen Vorräten ausgenommen sind: Antibiotika, die für prophylaktische Zwecke eingesetzt werden und Kritische Antibiotika.
Siehe Datensammlungen Milchvieh, Schweine, Schafe-Ziegen, Seite 6.1, AGRIDEA.
Selektives Trockenstellen von Milchkühen
Antibiotika für die Prophylaxe dürfen nicht mehr auf Vorrat abgegeben werden – dies betrifft auch die Trockensteller. Dies bedeutet, dass die Trockensteller nur nach Abklärungen durch den Tierarzt (Diagnose, vorbestehende Euterinfektionen, Mastitisrisiko) abegegeben werden dürfen. Dies jedoch weder prophylaktisch für die ganze Herde, noch für eine unbestimmte Anzahl undefinierter Kühe der Herde. Ein betriebsspezifisches selektives Trockenstellen auf der Grundlage tierärztlicher Abklärungen muss integrierender Bestandteil eines angemessenen Einsatzes von Trockenstellern mit Antibiotika bilden und entspricht den neuen Anforderungen der TAMV.
Detaillierte Angaben Seite 6.11, Datensammlung Milchvieh, AGRIDEA.
Zusammenarbeit, Aus- und Weiterbildung : Sich begleiten lassen. Dienstleistungen nutzen!
- Der Tierarzt bleibt der privilegierte Gesprächspartner für die Herdengesundheit. Er ist mehr als nur ein «Feuerwehrmann», der bei Problemen auf dem Hof erscheint. Er ist ein Verbündeter, um dauerhaft eine gute Herdengesundheit aufzubauen.
- Jede Wertschöpfungskette hat ihre Gesundheitsdienste, die zahlreiche Dienstleistungen anbieten.
- Der kantonale Berater spielt eine zentrale Rolle bei der Prävention der Gesundheitsprobleme auf dem Betrieb, denn er verfügt über eine Gesamtsicht des Systems. Seine Rolle ist ergänzend zu jener des Tierarztes zu werten.
- Erfahrungsgruppen zum Thema Tiergesundheit ermöglichen einen Austausch von Landwirten zum Thema Komplementärmedizin und Prävention.